Das Vermächtnis als Gestaltungsjuwel im Erbrecht zur Durchsetzung des Erblasserwillens

Der Erblasser kann gem. § 1939 BGB in einem Testament oder gem. § 1941 Abs. 1 BGB in einem Erbvertrag einem anderen einen Vermögensvorteil zuwenden, ohne ihn als Erben einzusetzen. Das Gesetz nennt diese Art der Zuwendung Vermächtnis. Das Vermächtnis ist ein ausgesprochen flexibles Instrument der Nachfolgeplanung. Der Begriff des Vermögensvorteils ist weit zu verstehen. Hierunter fällt alles, was Gegenstand einer schuldrechtlichen Verpflichtung sein kann, neben der Zuwendung von Gegenständen also etwa auch der Erlass von Verbindlichkeiten oder die Einräumung eines Nießbrauchs. Der Vermächtnisnehmer erlangt keine Erbenstellung, sondern nach § 2174 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten, was meistens der Erbe bzw. die Erben sind. Insofern können durch die Anordnung von Vermächtnissen unliebsame Erbengemeinschaften vermieden werden, die zu den streitanfälligsten Gemeinschaften im gesamten Zivilrecht gehören. Dies zeigt sich z. B. im Falle eines Unternehmens durch das sogenannte Ein-Erben-Vermächtnismodell als Gestaltungsmöglichkeit.

Ein Beispiel:

Ein Unternehmer hat drei Kinder (2 Töchter und 1 Sohn) und der Sohn soll das Unternehmen alleine weiterführen. Durch die Einräumung von Vermächtnissen für die beiden Töchter können diese gleichmäßig und gerecht am Nachlass beteiligt werden, denn ein durch eine Erbengemeinschaft geführtes Unternehmen ist erfahrungsgemäß schnell ein führungsloses und im höchsten Maße gefährdetes Unternehmen. Daher kann auch durch Hinausschieben der Fälligkeit von entsprechenden Vermächtnissen auch gleichzeitig ein Liquidationsengpass vermieden werden. Bei einer Erbengemeinschaft kann jeder Miterbe zu jeder Zeit grundsätzlich die Aufhebung der Erbengemeinschaft betreiben, was zur Zerschlagung von Unternehmen führen kann.

Durch die Anordnung des Vermächtnisses wird für den Bedachten gem. § 2174 BGB das Recht begründet, vom Erben, bzw. den Erben die Leistung des vermachten Gegenstandes zu verlangen, dies nach den Vorgaben des Erblassers. Ebenso wie die Erbeneinsetzung kann die Zuwendung eines Vermächtnisses unter einer Bedingung oder einer Befristung erfolgen. Ähnlich der Erbfolge ist der Vermächtnisnehmer allerdings nicht gezwungen, das Vermächtnis anzunehmen. Er kann dieses ausschlagen. Die Ausschlagung eines Vermächtnisses – entgegen der Situation beim Erbfall – ist nicht fristgebunden.

Das Gesetz und die Praxis unterscheidet eine Reihe von Vermächtnisarten. Die gängigsten Vermächtnisse sind wie folgt:

  • Bei einem Stückvermächtnis wird ein bestimmter zum Nachlass gehörender Gegenstand vermacht (§ 2169 BGB).
  • Bei einem Verschaffungsvermächtnis wird ein bestimmter Gegenstand auch für den Fall vermacht, dass er nicht zum Nachlass gehört, sodass der Beschwerte verpflichtet ist, dem Bedachten diesen Gegenstand zu verschaffen (§§ 2169, 2170 BGB). Der Beschwerte ist bei Unvermögen der Beschaffung zum Wertersatz verpflichtet (§ 2170 Abs. 2 BGB).
  • Bei einem  Gattungsvermächtnis ist der vermachte Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt. Ob Sachen der fraglichen Art zum Nachlass gehören, ist gleichgültig, es sei denn, dass das Vermächtnis auf eine im Nachlass vorhandene Gattungssache beschränkt ist. 
  • Bei einem Wahlvermächtnis hat der Erblasser angeordnet, dass der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder anderen erhalten soll, § 2154 BGB.
  • Bei einem Zweckvermächtnis hat der Erblasser nur den zu erreichenden Zweck bestimmt und den Inhalt der Leistung nach billigem Ermessen dem Beschwerten oder einem Dritten überlassen, § 2156 BGB.

Daneben gibt es noch weitere Vermächtnisarten, so das gemeinschaftliche Vermächtnis für mehrere Bedachte, das Forderungsvermächtnis (Anspruch auf Übertragung einer vermachten Forderung). Das Untervermächtnis, wenn der Vermächtnisnehmer seinerseits mit einem Vermächtnis beschwert ist, das Ersatzvermächtnis oder das Nachvermächtnis. In der Praxis kommt auch gelegentlich das sogenannte Quotenvermächtnis vor. Der Erblasser kann anstelle der Zuwendung des gesamten oder nahezu gesamten Vermögens die Zuwendung an den Bedachten auf einen Bruchteil seines Vermögens beschränken. Dieses Quotenvermächtnis ist ein echtes Vermächtnis.

Sofern der Gegenstand des Vermächtnisses belastet ist, etwa bei Grundstücken Grundpfandrechte im Grundbuch eingetragen sind und die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten valutieren, stellt sich die Frage, ob der Beschwerte die Belastung zu beseitigen hat oder ob diese vom Vermächtnisnehmer zu übernehmen ist. Vorrangig ist der Erblasserwille. Insofern sind eindeutige Formulierungen im Testament erforderlich. Ebenso ist eine Regelung erforderlich, wer die Kosten der Erfüllung des Vermächtnisses zu tragen hat.  Fehlt es hieran, fallen diese Kosten regelmäßig dem Erben zur Last. Auch sollte eine verbindliche Regelung für den Fall getroffen werden, dass der Vermächtnisnehmer mit Erbschaftsteuer belastet ist. Gerade das Problem der Erbschaftssteuer bei Überschreiten der Freibeträge des Erbschaftssteuergesetzes ist zwingend zu beachten.

Da das Vermächtnis nur schuldrechtlich wirkt, der Beschwerte aber häufig nur widerwillig bereit ist, nach Anfall und Fälligkeit die Erfüllung des Vermächtnisses nachzukommen, sind hier entsprechende Vorkehrungen durch den Erblasser im Testament zu treffen. Als eine Möglichkeit der Sicherstellung der Vermächtniserfüllung kommt in Betracht, den Vermächtnisnehmer zu bevollmächtigen, sich nach dem Anfall des Vermächtnisses den Vermächtnisgegenstand selbst zu übertragen. Die Vollmachtserteilung kann bereits in der Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) erfolgen. Größte Sicherheit der Erfüllung des Vermächtnisses bietet die Anordnung von Testamentsvollstreckung und Ernennung des Vermächtnisnehmers zum Testamentsvollstrecker mit der alleinigen Aufgabe, nach dem Anfall das Vermächtnis gegenüber sich selbst zu erfüllen. Eine entsprechende Formulierung kann wie folgt lauten:

Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich den vorbezeichneten Vermächtnisnehmer. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, das vorstehend zu seinen Gunsten angeordnete Vermächtnis zu erfüllen. Weitere Aufgaben hat der Testamentsvollstrecker nicht. Der Testamentsvollstrecker ist von den Beschränkungen des § 181 BGB, soweit erforderlich, befreit. Für seine Tätigkeit erhält der Testamentsvollstrecker keine Vergütung; seine Auslagen sind ihm nicht zu ersetzen. Sollte der Testamentsvollstrecker das Amt nicht annehmen oder nach seiner Annahme wegfallen, so entfällt die Testamentsvollstreckung ersatzlos.

Eine besondere Art des Vermächtnisses ist das sogenannte Vorausvermächtnis. Der Erblasser kann einem Mitglied einer Erbengemeinschaft im Wege des Vorausvermächtnisses einen Vermögensvorteil über seinen Erbteil hinaus zuwenden, dies unter Unterbleibung einer Anrechnung auf den Erbteil. Geht der Wille des Erblassers in eine Anordnung für die Auseinandersetzung dahin, den Miterben im Verhältnis zu den übrigen Miterben zu begünstigen, legt die Zuwendung eines über die Erbenstellung hinausgehenden Vermögensvorteils in diesem Sinne und damit ein Vorausvermächtnis vor.

Mit anderen Worten:

Der Vorausvermächtnisnehmer wird über seine Erbenstellung zusätzlich und ohne Anrechnung auf seinen Erbteil noch zusätzlich begünstigt.

Streitigkeiten entstehen in der Praxis immer wieder bei der Abgrenzung zwischen einem Vorausvermächtnis und der sogenannten Teilungsanordnung. Eine reine Teilungsanordnung  liegt nur vor, wenn der Erblasser die Miterben, die bestimmte Gegenstände erhalten sollen, nicht begünstigen will. Erhält der einzelne Miterbe durch die Zuwendung in einer Teilungsanordnung wertmäßig mehr, als seiner Erbquote entspricht, ist er den anderen Miterben gegenüber zum Ausgleich der Differenz verpflichtet. Dies ist der entscheidende Unterschied zwischen einem Vorausvermächtnis und einer Teilungsanordnung. Insofern sind in einem Testament klare und eindeutige Bestimmungen aufzunehmen, die einen Auslegungsstreit über das Vorliegen eines Vorausvermächtnisses oder einer bloßen Teilungsanordnung vermeiden.

Insgesamt sollten testamentarische Verfügungen nur nach entsprechendem fachmännischem Rat erstellt werden. Dies zur Vermeidung von kostenträchtigen Rechtsstreitigkeiten, die die erbrechtlichen Spezialbegriffe richtig anwenden und vor allen Dingen klare und eindeutige Regelungen enthalten. Ein Rechtsstreit über die Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist grundsätzlich mit enormen Risiken behaftet.

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