Erbengemeinschaft besser vermeiden

„Erbengemeinschaften sind Streitgemeinschaften; es wird offenbart, was immer unterm Teppich war“, sagt ein Sprichwort.

Von dieser Redensart mag man halten, was man will, sie enthält dennoch eine wichtige Botschaft: Erbengemeinschaften führen oft zu Streitigkeiten, die nicht selten vor Gericht enden und daher noch Jahre später den Familienfrieden vergiften. Warum also eine Erbengemeinschaft nicht einfach vermeiden? Wie das geht und was überhaupt eine Erbengemeinschaft genau ist, wird in diesem Artikel erläutert.

Die Erbengemeinschaft ist ein Zweckbündnis auf Zeit

Sieht die gesetzliche Erbfolge, das Testament oder der Erbvertrag mehrere Erben vor, bilden diese automatisch eine Erbengemeinschaft. Ein Beispiel soll das verdeutlichen:

Die geschiedene Maria Meyer (M), die über ein stattliches Vermögen von 10 Millionen Euro verfügt, ist am 20.06.2019 verstorben. Sie hat ihre drei Söhne Olaf (O), Thomas (T) und Patrick (P) testamentarisch als Erben eingesetzt. T macht seiner Mutter (M) wegen der Trennung noch immer starke Vorwürfe und hat sich daher auf die Seite seines Vaters (V) geschlagen. Seine beiden Brüder P und O verurteilen dieses Verhalten des T bis heute. Nähere Regelungen, wie der Nachlass verteilt werden soll, hat die M nicht getroffen.

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bilden die drei Söhne O, T und P – ob sie dies wollen oder nicht – eine Erbengemeinschaft. Der Nachlass ist ungeteilt auf die Erbengemeinschaft übergegangen. Der von M geschiedene V erhält nichts. Ihm steht kein Pflichtteilsanspruch zu, da die Ehe vor dem Tod der M bereits durch gerichtliches Urteil geschieden wurde.

Prägend für die Erbengemeinschaft ist es, dass der Erbfall nicht zu einer Aufteilung der Vermögenswerte führt. Dies gilt selbst dann, wenn die Rechte an sich teilbar sind (z.B. Geldforderungen). Gehört zum Nachlass beispielsweise eine Forderung von 90.000 Euro und sind die Erben – wie hier O, T und P – als Miterben zu 1/3 berufen, so erwirbt beim Erbfall nicht etwa jeder Erbe eine Teilforderung von 30.000 Euro; vielmehr steht die gesamte Forderung in Höhe von 90.000 Euro der aus O, T und P bestehenden Erbengemeinschaft zu. Ebenso wenig werden nach dem Tod der M Miteigentumsanteile gebildet. Befindet sich z.B. ein Grundstück im Nachlass, so erlangen O, T und P keineswegs Miteigentum zu je 1/3. Das Grundstückseigentum geht ausnahmslos auf die Erbengemeinschaft über. Die Erbengemeinschaft ist bei einer Berichtigung des Grundbuchs dann als Eigentümer ins Grundbuch einzutragen („O, T und P in Erbengemeinschaft“).

Die Rechtsfolge, dass die Nachlassrechte nicht den einzelnen Miterben getrennt zustehen sondern der „Gesamtheit der Erben“, bezeichnet das Gesetz als Gesamthandsgemeinschaft. Der Nachlass stellt, wenn er auf die Erbengemeinschaft übergegangen ist, ein Sondervermögen dar, das der gemeinsamen Verwaltung und Verfügung durch die Miterben unterliegt. Dieses Sondervermögen ist streng vom Eigenvermögen der einzelnen Miterben zu unterscheiden.

Dass die Miterben nur gemeinschaftlich den Nachlass verwalten und Verfügungen – Verkauf von Gegenständen, Kündigung von Pacht- und Mietverträgen, Abtretung und Erlass von Forderungen etc. – vornehmen können, führt in der Praxis nicht selten zu schwerwiegenden Problemen und ist Ausganspunkt für zahlreiche Streitigkeiten unter den Erben. Hierzu einige Beispiele:

T benötigt aufgrund seines ausufernden Lebensstils Geld. Die Erbschaft kommt ihm daher gelegen. Er würde gern einen Anteil am Erbe der M zu Geld machen. Zum Nachlass der M gehört ein Gemälde des niederländischen Malers Frans Hals, dessen Wert sich auf 250.000 Euro beläuft.

Ohne die Zustimmung seiner beiden Brüder ist T unter keinen Umständen berechtigt, einzelne Gegenstände des Nachlasses – Kunstwerk des Frans Hals – zu veräußern. Selbst wenn O und P der Veräußerung zustimmten, würde der Verkaufserlös des Bildes bis zur Auseinandersetzung Eigentum der Erbengemeinschaft bleiben. T ist nicht berechtigt, einen Teil seiner Erbschaft im Vorfeld zu beanspruchen.

Der Nachlass beinhaltet u.a. ein Wohnhaus, das am Stadtrand liegt. In diesem Haus haben die drei Geschwister viel Zeit mit ihrem Vater (V) verbracht. Da T mit diesen Aufenthalten schöne Kindheitserinnerungen verbindet, möchte er die Substanz des Hauses sowie den Garten in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten. Das Dach des Hauses ist renovierungsbedürftig. Ein Schaden an der Immobilie droht allerdings nicht. Laut Kostenvoranschlag werden für die Reparatur 16.500 Euro fällig. Des Weiteren möchte T für die Pflege des Gartens einen Gärtner einstellen. Die Geschwister O und P verweigern ihre Zustimmung.

Da es sich bei den Dachdeckerarbeiten und der Beauftragung eines Gärtners um Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung handelt, ist T alleine nicht berechtigt, für die Erbengemeinschaft zu handeln. Über Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung muss die Erbengemeinschaft mit Stimmenmehrheit entscheiden. Das Gewicht der einzelnen Stimmen bestimmt sich bei der Entscheidungsfindung nach der Höhe der Erbquote des jeweiligen Miterben. Daher ist T auf die Mitwirkung mindestens eines Geschwisterteils angewiesen. Will er die Angelegenheiten erzwingen, bleibt ihm nur die gerichtliche Geltendmachung. Im vorliegenden Beispiel hat T zwar gute Chancen, dass das Gericht die beiden „Abtrünnigen“ O und P zur Mitwirkung verurteilt, dies kann aber unter Umständen Jahre in Anspruch nehmen. In dieser Zeit kann viel passieren.

Der Fall ist anders zu beurteilen, wenn das Dach undicht wäre und daher ein konkreter Schaden für das Objekt droht. In diesem Szenario könnte T ohne Zustimmung seiner Brüder tätig werden, da es sich um eine Notfallsituation handelt. Streckt der T die Kosten für die Renovierung vor, hat dieser sogar einen Ausgleichsanspruch gegenüber der Erbengemeinschaft.

Beispiel: O und P wollen das Wohnhaus am Stadtrand, mit dem sie – anders als T – keine positiven Erinnerungen verbinden, abreißen und darauf eine Jagdhütte errichten. Können sie das ohne die Zustimmung des T?

In diesem Fall sitzt T am „längeren Hebel“. Verweigert er die Genehmigung, können O und P die Maßnahme trotz ihrer Stimmenmehrheit nicht in die Tat umsetzen. Der Unterschied zu dem oben angeführten Beispiel liegt darin, dass es sich bei dem Abriss des Gebäudes um eine über die ordnungsgemäße Verwaltung hinausgehende Maßnahme handelt. Sie ist mit einer wesentlichen Veränderung des Nachlasses verbunden. Das Gesetz sieht in derartigen Fällen vor, dass die Miterben nur gemeinschaftlich handeln können.

In den eben skizzierten Beispielsfällen ging es um die Verwaltung und Veräußerung des Nachlasses. Bereits hier treten, wie gesehen, Probleme auf, die sich nicht ohne weiteres lösen lassen.

In den allermeisten Fällen verursacht aber die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die größten Schwierigkeiten. Bei der Auseinandersetzung werden die Nachlassverbindlichkeiten berichtigt und im Anschluss der Überschuss nach dem Verhältnis der Erbteile unter den Miterben verteilt. Für die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft sind in der Regel zwei Wege gangbar: eine Teilauseinandersetzung oder der Abschluss eines Auseinandersetzungsvertrags. Bei der Teilauseinandersetzung tritt zumeist ein Miterbe aus der Erbengemeinschaft aus und erhält dafür eine Abfindung in Geld von den anderen Miterben in der Höhe seiner Erbquote. Sein Anteil geht auf die verbleibenden Miterben über (Anwachsung). Dieses Vorgehen erfordert ein einvernehmliches Handeln der Miterben. Im zweiten Fall, dem Abschluss eines Auseinandersetzungsvertrags, erstellen die Miterben einen Auseinandersetzungsplan. In diesem regeln die Miterben, wie der Nachlass zu verteilen ist. Schlägt eine Einigung der Miterben fehl, kommt es zumeist zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den Miterben.

Bereits an diesen kurzen Beispielen zeigt sich, dass die Erbengemeinschaft starr und schwerfällig ist, sollten sich die Beteiligten, was in der Praxis oft vorkommt, nicht „Grün“ sein. Vermutet es der Erblasser bereits zu Lebzeiten, dass es zu solchen Streitigkeiten unter seinen Angehörigen kommen kann, wird diesem empfohlen, das Entstehen einer Erbengemeinschaft zu vermeiden. Hierbei stehen dem Erblasser folgende Werkzeuge zur Verfügung – die Aufzählung ist nicht abschließend:

Treffen einer Teilungsanordnung

Der Erblasser kann im Testament oder Erbvertrag für die Auseinandersetzung einzelne Anordnungen treffen, indem er z.B. festlegt, dass ein Miterbe bei der Auseinandersetzung einen bestimmten Nachlassgegenstand erhalten soll. Dadurch wird vermieden, dass sich die Miterben auf einen Auseinandersetzungsplan einigen müssen.

Bestellung eines Testamentsvollstreckers

Der Testamentsvollstrecker agiert als verlängerter Arm des Erblassers. Es gibt verschiedene Varianten der Testamentsvollstreckung. Was der Testamentsvollstrecker darf und was nicht, kann der Erblasser frei wählen. Im Wesentlichen wird er jedoch die Aufgabe haben, die Erbengemeinschaft aufzulösen und sicherzustellen, dass am Ende jeder Miterbe das bekommt, was ihm zusteht.

Anordnung eines Schiedsverfahrens

Eine weitere Möglichkeit ist die Anordnung eines Schiedsverfahrens. Dies geschieht mithilfe einer Klausel im Testament, nach der im Streitfall ein neutrales Schiedsgericht angerufen werden muss, um den Konflikt beizulegen. Als Schiedsgericht eignet sich die Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE).

Rechtsanwalt Torben Lintz

Torben Lintz ist zugelassener Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes. Sein Aufgabenschwerpunkt und Spezialisierung liegt in den Bereichen: Erbrecht und Gesellschaftsrecht. Mit seinem Spezialwissen betreut er gemeinsam mit der Kanzlei für Wirtschaftsberatung Peter Schu eine Vielzahl von Unternehmen auf dem speziellen Gebiet des Risikomanagement, insbesondere, gesellschaftliche, betriebswirtschaftliche sowie privatrechtliche Verträge zu erstellen und einer ständigen Überprüfung zu unterziehen.

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