Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – Eine Gesellschaft mit vielen Gesichtern und Tücken

Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (häufig abgekürzt GbR, auch BGB-Gesellschaft genannt – das Bürgerliche Gesetzbuch kennt nur eine Gesellschaftsform und spricht deshalb lediglich von der Gesellschaft) ist der Prototyp der Personengesellschaft. Die GbR kommt unscheinbar daher, birgt aber zahlreiche haftungsrechtliche Risiken. Durch eine Rechtsberatung im Vorfeld werden diese leicht eliminiert. In diesem Artikel werden die Wesensmerkmale der GbR skizziert, ihr Anwendungsbereich angedeutet und einige „Stolpersteine“ aufgezeigt.

Die GbR ist eine auf Vertrag beruhende Personenvereinigung zur Förderung eines von den Gesellschaftern gemeinsam verfolgten, beliebigen Zwecks. Diese Definition klingt nebulös und verschleiert den weiten Anwendungsbereich der GbR. Da die Beteiligten mit ihr jeden beliebigen Zweck verfolgen können und der BGB-Gesellschaftsvertrag keiner bestimmten Form bedarf, sind die Erscheinungsformen breit gestreut. Im Nachfolgenden führe ich einige Beispiele an, die aufzeigen, was sich eigentlich hinter dieser abstrakten Definition verbirgt und wie einfach eine solche Gesellschaft gegründet ist. Bei zahlreichen Zusammenschlüssen ist den Beteiligten meist gar nicht bewusst, dass hierdurch eine Gesellschaft entsteht.

Erscheinungsformen der GbR

Beispiel 1: Um Benzin zu sparen, nimmt ein motorisierter Arbeitskollege (A) andere Personen (B und C) in seinem Kraftfahrzeug mit

Als Gegenleistung wird gegenüber den Fahrgästen folgendes vereinbart: Die Eltern des B sind Inhaber einer Bäckerei, die für ihre leckeren Kaffeestückchen bekannt ist. Daher wird als Gegenleistung ausgemacht, dass B den A mit kostenlosen Kaffeestückchen versorgt. Mit C wird vereinbart, dass sich dieser an den Spritkosten beteiligt.

Eine solche (belanglose) Vereinbarung begründet zwischen den Beteiligten A, B und C bereits eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, mit der zahlreiche Rechte und Pflichten verbunden sind. Welche Rechte und Pflichten dies sein können, wird weiter unten erläutert.

Beispiel 2: Die Personen (A, B, C und D) spielen Lotto, um ihre Gewinnchancen zu erhöhen, schließen sie sich zum gemeinsamen Lottospiel – einer Tippgemeinschaft – zusammen

Jeder der Akteure zahlt wöchentlich 10 Euro in die gemeinsame „Tippkasse“ ein. Des Weiteren wird vereinbart, dass C den Kassenbestand verwaltet und die Tippscheine mit vorher festgelegten Zahlenreihen einzureichen hat. An einem Tag versäumt es C, aus beruflichen Gründen, den Tippschein abzugeben. Auf die vereinbarte Zahlenreihe wäre ein Gewinn in Höhe von 25.498 Euro entfallen. Ist C den Personen A, B und D zum Ersatz des Schadens von 25.498 Euro verpflichtet?

Die Tippgemeinschaft stellt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts dar, aus der sich ebenfalls zahlreiche Rechte und Pflichten für die Beteiligten ergeben. Einen solchen Fall, indem es ein (Mit-)Gesellschafter versäumt hat, den Tippschein rechtzeitig abzugeben, hatte der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1974 zu entscheiden. Mit einer zweifelhaften (rechtlichen) Begründung verneinte er eine Haftung des Beklagten und wies die Klage ab. Bei dieser Entscheidung – davon ist fest auszugehen – hatten die Richter lediglich das Ergebnis im Blick, nämlich den Beklagten vor einer existenzvernichtenden Haftung zu schützen. Eine saubere dogmatische Begründung seiner Entscheidung blieb der Bundesgerichtshof hingegen schuldig.

Beispiel 3: Ehefrau F hat ihrem Gatten (M) bei der Finanzierung seiner Gastwirtschaft geholfen und diese durch ihre Mitarbeit gefördert

Vorliegend handelt es sich um eine Ehegatten-GbR. Die F erbringt über die familienrechtliche Pflicht hinaus eine Leistung, indem sie im Erwerbsgeschäft ihres Ehegatten mitarbeitet und diesem Vermögen für ein Erwerbsgeschäft zur Verfügung stellt. Kommt es nun zu einer Scheidung, finden neben den familienrechtlichen Vorschriften auch die Normen über die GbR Anwendung.

Haftungsrechtliche Risiken für die Beteiligten

Hier lesen Sie einige typische haftungsrechtliche Risiken für die Beteiligten, die bei der Annahme einer GbR entstehen können. Diese Problematik verdeutliche ich anhand kleiner Beispielsfälle:

Beispiel 1: In der Mitfahrgemeinschaft der Personen A, B und C (siehe oben) verursacht A schuldhaft einen Verkehrsunfall

Dabei erleiden die Mitfahrer B und C tödliche Verletzungen. Die Angehörigen nehmen den A auf Schadensersatz in Anspruch.Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt: Verursacht der Fahrer einer Mitfahrergemeinschaft einen Unfall und lässt er dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, dann treffen ihn die Schadensersatzverpflichtungen nach allgemeinen Grundsätzen. Dies hat zur Folge, dass A gegenüber den Angehörigen voll haftet.

Beispiel 2: A und B betreiben gemeinsam eine kleine Reparaturwerkstatt für Kraftfahrzeuge in der Rechtsform einer GbR

B geht mit seinem Geld außerhalb der Gesellschaft (also in der Privatsphäre) sehr verschwenderisch um. Unter anderem hat er seiner neuen Geliebten ein Brilliantcolliers für 5.000 Euro gekauft, das er bisher noch nicht bezahlt hat. Des Weiteren hat er sich einen Benz SLS geleast, für den er monatlich 1.120 Euro aufbringen muss. Seit einiger Zeit ist er dieser Verpflichtung nicht mehr nachgekommen. Der Verkäufer (V) des Colliers und der Leasinggeber (L) beschaffen sich einen Vollstreckungstitel gegen B. B hat in der Gründungsphase den größten Teil seines Vermögens in die GbR eingebracht. Mit diesem Betrag wurde eine Hebebühne angeschafft. Die Gläubiger V und L fragen sich nun, ob sie auch in den Anteil der GbR, der dem B gehört, hineinvollstrecken können.

Privatschulden eines Gesellschafters entstehen zwar eigenverantwortlich und daher außerhalb der gesellschaftsvertraglichen Gemeinschaft und lösen demnach nur gegen diesen selbst Ansprüche aus. Hierdurch kann allerdings auch die Gesellschaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Privatgläubiger – hier der V und der L – können zunächst unbedenklich in das Privatvermögen ihres Schuldners (hier des B) vollstrecken. Sie können sich aber auch am Gesellschaftsvermögen schadlos halten (namentlich, wenn im Privatvermögen „nichts zu holen ist“). Denn der Gesellschaftsanteil gehört zum Vermögen des Schuldners.

Der Gesetzgeber gestattet es daher, dass die Privatgläubiger V und L den Gesellschaftsanteil des B pfänden können. Diesen, V und L, steht dann zu, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, die Gesellschaft zu kündigen. Der dadurch entstehende Abfindungsanspruch, der dem B im Falle einer Kündigung zustünde, unterliegt daraufhin der beliebigen Verwertung durch die Privatgläubiger V und L. Die damit einhergehenden Folgen für den Mitgesellschafter A sind unübersehbar. Das rücksichtslose, verschwenderische Verhalten des B führt dazu, dass die wirtschaftliche Existenz des A vernichtet wird. Ein Gesellschafter sollte sich daher genau überlegen, mit wem er eine Gesellschaft eingeht. Die Beteiligten sollten für solche Fälle entsprechende vertragliche Regelungen im Gesellschaftsvertrag treffen.

Beispiel 3: Gesellschafter A, B und C haben gemeinsam die Maler & Lackierer GbR gegründet

Der Gesellschafter B stirbt unerwartet bei einem Verkehrsunfall. B wird durch seine Ehefrau (E) und durch seine Tochter (T) beerbt. E und T können die Gesellschafter A und C nicht ausstehen. Sie geben dem A und dem C eine Teilschuld an dem Tod des B. Eine erbrechtliche Regelung für den Todesfall eines der Gesellschafter haben die Beteiligten im Gesellschaftsvertrag nicht getroffen.

Haben die Beteiligten, wie in dem Beispielsfall, im Gesellschaftsvertrag keine „Nachfolgeregelung“ getroffen, greift die Regelung des § 727 Abs.1 BGB. Danach wird die Gesellschaft durch den Tod eines der Gesellschafter aufgelöst. Mit der Auflösung wandelt sich die Gesellschaft in eine sogenannte Liquidationsgesellschaft (Auseinandersetzungsgesellschaft) um, deren Zweck die Verteilung des Gesellschaftsvermögens ist. Die Erben des B (E und T) werden Mitglied dieser Auseinandersetzungsgesellschaft und haben dort Vermögens- und Verwaltungsrechte. Die Situation gestaltet sich somit für die Gesellschafter A und C als besonders schwierig. Hätten die Gesellschafter eine entsprechende „Nachfolgeregelung“ im Gesellschaftsvertrag getroffen, hätten sie die Auseinandersetzung verhindern können. Es wäre nicht zu einer existenzvernichtenden Situation auf Seiten des A und C gekommen.

Beispiel 4: Physiotherapeut X und Patient P schließen einen Behandlungsvertrag

Der Vertrag wird unter Zuhilfenahme eines Vordrucks geschlossen. Dieser ist folgendermaßen aufgebaut: Unter dem Namen des X findet sich die Überschrift „in Praxisgemeinschaft mit“. Darunter ist in gleicher Schriftart und -größe der Physiotherapeut A namentlich aufgeführt. Mit A teilt sich X allerdings (wegen hoher Mieten) nur die Praxisräume. Behandlungsverträge will jeder der Physiotherapeuten weiterhin nur für sich selbst im eigenen Namen abschließen. Nach Vertragsschluss unterläuft dem X ein Behandlungsfehler. Da bei ihm „nichts zu holen ist“, fragt sich der Patient P, ob er A in Anspruch nehmen kann?

Die Rechtsprechung bejaht in diesen Fällen eine Haftung des anderen Therapeuten – hier des A. Dies wird damit begründet, dass durch den verwendeten Vordruck des X ein Rechtsscheintatbestand geschaffen wird. Der Patient könne aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes darauf vertrauen, dass es sich bei der Praxis um eine Gemeinschaftspraxis bestehend aus X und A handelt. Daher ist bei solchen Konstellationen stets darauf zu achten, das äußere Erscheinungsbild so zu gestalten, dass die Selbständigkeit der Beteiligten eindeutig hervortritt.

Fazit zur GbR – einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

Die aufgezeigten Fallkonstellationen zeigen deutlich einige Fallstricke, die im Zusammenhang mit der GbR auftreten können. Durch eine richtige Gestaltung der Rechtsverhältnisse im Vorfeld lassen sich solche Haftungsrisiken stark reduzieren oder sogar eliminieren. Dem Gesellschafter sei daher bei Zweifeln über die Rechte und Pflichten dringend angeraten, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen – sonst droht unter Umständen eine existenzvernichtende Haftung.

Rechtsanwalt Torben Lintz

Torben Lintz ist zugelassener Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer des Saarlandes. Sein Aufgabenschwerpunkt und Spezialisierung liegt in den Bereichen: Erbrecht und Gesellschaftsrecht. Mit seinem Spezialwissen betreut er gemeinsam mit der Kanzlei für Wirtschaftsberatung Peter Schu eine Vielzahl von Unternehmen auf dem speziellen Gebiet des Risikomanagement, insbesondere, gesellschaftliche, betriebswirtschaftliche sowie privatrechtliche Verträge zu erstellen und einer ständigen Überprüfung zu unterziehen.

Click Here to Leave a Comment Below

Leave a Comment: